O clavis David – 4 .O-Antiphon vom 20 Dezember
O clavis David et sceptrum domus Israel,
qui aperis et nemo claudit, claudis et nemo aperit:
veni et educ vinctum de domo carceris,
sedentem in tenebris et umbra mortis.
O Schlüssel Davids und Zepter des Hauses Israel!
Wenn Du öffnest, schließt niemand,
und wenn Du schließst, öffnet keiner:
komm und rette den Gefangenen aus dem Kerker,
ihn der in Finsternis sitzt und im Schatten des Todes!
O clavis David (3.O-Antiphon vom 20.Dez.2007)
„Lex Orandi, lex credendi“ sagt die alte Regel des christlichen Glaubens. Wie und was ich bete zeigt wie und was ich glaube. Vergiss das Hergebrachte, vergiss das Überlieferte, fordert das geschichtsvergessene Denken sowohl vom gläubigen Menschen unserer Zeit, und auch in der (westlichen) Kirche insgesamt scheint es inzwischen viele zu geben, die glauben davon absehen zu können. Die Texte der Liturgie, die Texte der Heiligen Schrift sagen uns: Nein! Das ist eine Lüge!
Die Vesperantiphon des 20. Dezember zeigt uns den „Schlüssel“ als Symbol des Öffnens und Schließens, des Einlassens und des Ausperrens, des Drinnen und Draußens. Er ist ein Bild für Heil und Unheil. Sind wir im Hinblick auf das Weihnachtsfest bereit, den Herrn zu uns Hereinzulassen? Sind wir bereit, uns darauf einzulassen, daß Gott selber es ist, der den Himmel öffnet und verschließt. „Nehmt euch aber in acht, dass sich euer Herz nicht betören lasse und ihr abfallet, anderen Götter dienet und euch vor ihnen niederwerfet! Sonst wird Gottes Zorn wider euch entbrennen, er wird den Himmel verschließen, so daß kein Regen mehr fällt und der Boden seinen Ertrag nicht mehr gibt, und ihr werdet schnellstens aus dem schönen Land verschwinden, das der Herr euch geben will.“ (Dtn 11,16.17) Ja Gott kann sein Erbarmen verschließen, „einschließen“, wie es im Psalm heißt. „Hat Gott vergessen, gnädig zu sein? Hat er sein Erbarmen verschlossen im Zorn?“ (Ps 76,10)
Der altestamentlichen Vorstellung liegt auch folgende Darstellung zugrunde: Der gottesfürchtige Eliakim wird zum königlichen Hausminister bestellt. „Er wird den Bewohnern Jerusalems und dem Hause David Vater sein. Den Schlüssel Davids lege ich ihm auf die Schulter“ (Jes 22,21f).
In der patristischen Zeit wurde dann das „Davidshaus“ als die Kirche interpretieert und im getreuen Knecht Eliakim ein Vorbild für Jesus Christus gesehen.
Er, der Schlüssel Davids konnte allein all die verschlossenen Mauern und Tore öffnen, die die Menschheit durch die Jahrtausende hindurch errichtet hatte. Nur er konnte dem Menschen den freien Zugang zum Leben und zum Heil eröffnen, durch seine Menschwerdung und seine Erlösung. „Wenn du öffnest, schließt Niemand, und wenn Du schließt, öffnet keiner“, d.h. Erlösung und Heil ist, menschlich verstanden, von uns nicht machbar.
Die frühchristlichen Schriftsteller sahen in dem Schlüssel des Eliakim das Heilszeichen des Kreuzes vorabgebildet: Das Kreuz als Schlüssel für Himmel und Unterwelt. Das in die Erde eingerammte Kreuz reichte bis in den Hades hinab und pfählte Satan. Der gekreuzigte und auferstandene Herr stieg hinab in die Unterwelt und befreite die gefangene Menschheit und führte sie heim in sein Reich.
Das Auferstehungsbild in den Kirchen des Ostens zeigt dies in aller Deutlichkeit: Christus steht auf den zerbrochenen Toren der Unterwelt, die er mit dem Schlüssel des Kreuzes aufgesprengt hat. Seine rettende Hand reicht er Adam, der mit seinen grauen Haaren die altgewordene Menschheit symbolisiert und Eva im roten Gewand, das auf die österliche Freude hinweist. Zu seinen Füßen liegen die zerbrochen Ketten und schlüssel zur Unterwelt.
So kündigt sich in dieser O-Antiphon mit der Menschwerdung des Gottesohnes schon die Erlösung durch Kreuz und Auferstehung an.
Aufgrund dieser theologischen Vorstellung kann die Kirche beten: „O Schlüssel Davids … komm und rette den Gefangenen aus dem Kerker, ihn, der in der Finsternis sitzt und im Schatten des Todes!“ Die Menschheit ist der Gefangene, sie harrt der „herrlichen Wiederkunft“ des Herrn. In der Apokalypse wird die Thematik ebenfalls dargelegt: Wer den Schlüssel zur Unterwelt besitzt und die Macht über ihre Herrschaft hat, der vermag auch „die Finsternis und den Schatten des Todes“ zu erhellen und die Toten zur Auferstehung hervorzurufen: „Ein Toter bin ich gewesen, doch siehe: ich bin lebendig in alle Ewigkeit und halte die Schlüssel des Todes und der Unterwelt (Apk 1,18).
Johannes sah beim Ertönen der Posaune „einen Stern, der vom Himmel auf die Erde fiel und ihm wurde der Schlüssel zum Schacht der Unterwelt gegeben (Apk 9,1) Es wird dann ein „tausendjähriges Reich“ (ewiges Reich) sein, während dessen die Mächte der Finsternis in den Abgrund eingeschlossen sind (Apk 20,1).
Textauszüge aus:
Thiermeyer, Abraham, Die vorweihnachtlichen O-Antiphonen, in: Gamber, Klaus, Ein kleines Kind – der ewige Gott. Bild und Botschaft von Christi Geburt, Pustet, Regensburg, Beiheft zu den Studia patristica et liturgica, Bd. 2, S. 83f
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